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WALTER HÄLT DIE BALANCE. WIE MAN ES SCHAFFT, (FAST) NIE AUS DER KURVE ZU FLIEGEN. Rennwagen fahren. Das ist doch ein Sport, den man im Sitzen ausübt, könnte man spotten. Und doch muss man dafür mindestens so fit sein wie ein Profi-Fußballer oder -Tennisspieler. Denn die Belastungen hinter dem Lenkrad sind enorm, physisch wie psychisch. Ohne mentale Stärke und hohe Belastbarkeit wurde noch kein Rennen gewonnen. Keiner weiß das besser alsWalter Röhrl, der das Mineralwasser seit jeher dem Sieger-Champagner vorzieht. Wie schafft er es, über so viele Jahre fit zu bleiben und die sportliche Balance zu halten? Darüber haben wir mit ihm gesprochen. Herr Röhrl, in einem Rennwagen sitzt man den ganzen Tag – und der Motor macht die Hauptarbeit. Ist das eigentlich noch Sport? Bevor ich selbst im Rennsport aktiv war, habe ich das auch etwas abgetan. Aber wer glaubt, das sei kein richtiger Sport, der soll mal bei der Akropolis- Rallye mittags um 12 Uhr über die Schotterstraßen fahren, in einem Auto ohne Klimaanlage und mit 70 Grad im Innenraum. Im Lauf so einer Rallye tritt man 15.000-mal die Kupplung – immer mit 10 kg Widerstand, das ist wie Bodybuilding. Heute mit Servolenkung und Automatikgetrieben ist es etwas leichter. Aber Sport ist es, so oder so. Wie halten Sie die sportliche Balance?Wie bleiben Sie hinter dem Lenkrad fokussiert – und sind dennoch nicht verkrampft? Entscheidend ist, dass du weißt, dass du kannst, was du da tust, das macht das Leben viel einfacher, dann bleibst du locker. Sonst ist die Gefahr des Verkrampfens groß. Aber ein gesundes Konditionsniveau ist die Grundlage. Wie halten Sie sich fit? Wenn ich Sport treibe, messe ich immer die Zeit. Im Sommer auf dem Rennrad oder imWinter bei Skitouren. Und ich kann nichts tun, ohne dass ich weiß: Diesen Berg bin ich mal in 1:57 Stunden gegangen … Vor kurzem war ich auf einer Skitour auf dem gleichen Berg unterwegs und ich war nur 6 Minuten langsamer als vor 25 Jahren. Trotzdem führt mir das vor Augen, dass man das Alter nicht überlisten kann, man muss es irgendwann respektieren, auch wenn mir das sehr schwerfällt. Nicht allen ist bekannt, dass Sie auch ein passionierter Rennradfahrer sind. Wie kam das zustande? Bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung wurde ich Ende der 70er Jahre gefragt, ob ich eine Fahrradtour machen wollte. Es hieß, es wären nur ein paar Kilometer, aber die Etappe war nicht 15, sondern 115 Kilometer lang. Als es die Berge hochging, habe ich mich gefragt: Warum fahren die denn alle nicht? Am Ende war ich als Dritter oder Vierter auf dem Berg, hinter einem gewissen Klaus-Peter Thaler. Das hat mich so fasziniert, dass ich mir gesagt habe: Diesen Sport mache ich als Ausgleich zum Autofahren. Helfen endlose Rennradkilometer, imAuto nicht aufzugeben? Absolut. Bei großen Bergpässen, wenn du meinst, du kannst nicht mehr, genau da musst du dich überwinden und dich zwingen weiterzufahren. Das hat mir beim Autofahren unheimlich geholfen, ich wurde nie müde, hatte immer die nötige Konzentration und konnte besser ans Limit gehen. Wie haben Sie Auto- und Rennradfahren zusammengebracht? Als ich in den späten 80ern für Audi Rennautos entwickelt habe, das war immer imWinter, bin ich auf einer Teststrecke in Südfrankreich meine Runden gefahren. Den Mechanikern habe ich dann gesagt, dass das Getriebe zu lang übersetzt ist. Während die 2 bis 3 Stunden das Getriebe ausbauen mussten, bin ich mit dem Rennrad auf die Rennstrecke gegangen. Als sie fertig waren, haben sie gepfiffen, dann bin ich wieder 5 Runden gefahren und habe ihnen gesagt, dass jetzt das Fahrwerk vorn zu weich ist. Das Spiel ging dann von Neuem los. So kam ich Ende März mit 7.000 Trainingskilometern in den Beinen zurück und war natürlich gut in Form. Haben Sie ein sportliches Vorbild? Und wofür bewundern Sie es? Eddy Merckx hat mich fasziniert, weil er immer gewinnen wollte, wenn er antrat. Das hat mich inspiriert, so wie er wollte ich sein. Ich hatte das große Glück, dass ich ihn später persönlich kennen lernen durfte und viel mit ihm Rennrad gefahren bin, jedes Jahr eine Woche mit ehemaligen Weltklassefahrern in Frankreich oder Italien. Das waren Erlebnisse, die ich nie vergessen werde. Ein Rallye-Fahrer muss sich jede Kurve merken können und dennoch schnell reagieren, wenn es anders läuft als gedacht. Wie wichtig ist mentale Fitness? Körperliche und mentale Fitness hängen eng zusammen. So habe ich auch mein Leben eingeteilt. In meiner aktiven Zeit bin ich jeden Tag um 10.00 Uhr ins Bett gegangen, ich musste mindestens 8 Stunden schlafen, damit ich am nächsten Tag die Fitness für 10 Stunden Training hatte und mir jede Kurve merken konnte. Anders als meine Gegner, die abends oft etwas getrunken haben. Das gab es für mich nicht, ich habe da sehr bewusst gelebt. Hat Sport auch mit Leiden zu tun? Oder ist das immer nur Spaß? Im Moment des Wettbewerbs ist es oft Qual, sind es Schmerzen, aber umso schöner ist das Gefühl, wenn du am Ziel bist, du kannst die Situation viel intensiver erleben. Dann hast du diese Freude, dass du den inneren Sauhund überwunden – und besiegt hast. Wenn Sie nochmal von vorn anfangen könnten: Welcher Sport würde Sie reizen? Ich konnte nie zu 100% behaupten, dass ich gewonnen habe, weil ich der Beste bin, vielleicht hatte ich einfach nur das stärkste Auto. Toll wäre es, als Leichtathlet die 10.000 Meter schneller zu laufen als alle anderen. Dann könnte ich mit Gewissheit sagen: Ich bin der Schnellste. Aber am Ende würde ich wahrscheinlich doch wieder in einem Porsche sitzen. UNTERWEGS 17

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